In Zukunft werden Search und Content immer stärker datengetrieben sein – und sich noch mehr als bislang an den Bedürfnissen der verschiedenen Nutzer orientieren (müssen). Der Searchmetrics Summit 2017 in Berlin hielt aber noch weitere spannende Erkenntnisse parat.
Search & Content gehören zusammen wie …
… Tom und Jerry?
… Pech und Schwefel?
… Nitro und Glyzerin?
… oder wie Raider und Twix?
Zumindest sind sich beide ziemlich nah. Schließlich will der Suchende Inhalte finden, die für ihn relevant sind. Und Unternehmen wollen mit diesen Inhalten gefunden werden. Klingt einfach? Ist es aber in der Praxis nicht. Und die Spielregeln ändern sich laufend.
Aus diesem Grund lud Searchmetrics zum Summit 2017 in das Palais der Kulturbrauerei. Angeboten wurden erstmalig dieses Jahr zwei Tracks: Im „Management-Track“ ging es um die Zukunft von SEO und Content sowie um spannende Praxisbeispiele aus der großen Welt des Content Marketings. Der „Expert-Track“ richtete sich vor allem an technische SEOs.
Ich war für die Performics vor Ort. Die aktuellen und kommenden Entwicklungen im Content Marketing haben mich natürlich am meisten interessiert. Daher folgen hier nun die spannendsten Neuigkeiten für Redakteure aus den Sessions im Management-Track.
Der Status quo von Search & Content
In welche Richtung bewegen sich Search und Content im Moment? Darum ging es in den Opening Keynotes von Volker Smid, CEO des Gastgebers, und Marcus Tober, CTO und Gründer. Beide sind sich sicher: Search & Content müssen schon heute datenfundiert sein, damit die Strategie aufgeht.
Volker Smid wies darauf hin, dass nur 25 Prozent aller Online-Inhalte überhaupt wahrgenommen werden. Die übrigen 75 Prozent sind praktisch unsichtbar. Um Inhalte sichtbar zu machen, müssen sie relevant sein. Das heißt: Nachfrage und Content müssen übereinstimmen. Doch die Nachfrage ist entlang der Customer Journey immer eine andere. Wer sich allgemein über „Bohrmaschinen“ informieren will, braucht andere Informationen als jemand, der schon gezielter nach Herstellern oder bestimmten Zusatzgeräten sucht.
Die Lösung: Holistischer Content, der alle denkbaren Informationen zu einem Thema liefert. Nicht vergessen sollte man zwei Dinge: Erstens unterscheiden sich die Informationsbedürfnisse international. Wo in einem Land viel Content geboten werden muss, reichen in einem anderen Basis-Informationen. Zweitens spielt auch die Saisonalität eine Rolle. „Bohrmaschinen“ werden zum Beispiel vorwiegend in der Vor-Weihnachtszeit gesucht (Geschenk!), „Drahtbürsten“ (Aufsätze zur Bohrmaschine, um Lack zu entfernen) vor allem im Frühjahr, wenn die Gartenlaube einen neuen Anstrich bekommen soll.
Holistischer Content für alle Bedürfnisse entlang der Customer Journey. © Searchmetrics
Marcus Tober ging in seinem Vortrag auf „SEO und User Experience im Machine Learning Zeitalter“ ein. Laut Tober haben drei Neuerungen, die Google in den letzten Jahren eingeführt hat, die Rahmenbedingungen für Content & Search grundlegend geändert: Machine Learning, RankBrain und Content Relevance. Dadurch gibt es nicht mehr das „eine“ Ranking, sondern für jede Industrie und für jede Such-Intentionen gibt es nun eigene Ranking-Faktoren. Aus diesem Grund erstellt Searchmetrics die Ranking-Faktor-Studie nun für verschiedene Branchen.
Daher kann man mit ganz unterschiedlichen Strategien zu Erfolg (und mehr Sichtbarkeit) gelangen. Einige erreichen dies, weil sie ihren Content erweitern, verbessern und verändern. Andere erzielen einen Ranking-Boost, nachdem sie 90 Prozent allen Contents entfernt haben. Ob also Masse zählt oder die Spezialisierung auf eine Nische, zeigt sich immer erst im Einzelfall. Auch bei Umsetzung wird es nicht mehr nur um lange Texte gehen (können). Es gibt ganz unterschiedliche Nutzertypen, die jeweils bestimmte Medien (Texte, Videos, Bildergalerien, …) bevorzugen.
Um das Publikum zu erreichen, empfiehlt Tober eine kleinteilige Aufspaltung der Content-Strategie entsprechend der vorhandenen Daten. Dann kann man dem Kunden „den richtigen Content im richtigen Moment auf dem richtigen Device“ ausspielen.
Search und Content in der Praxis
Nach den eher theoretischen Einführungen von Smid und Tober teilten sich die Tracks auf. Die nächsten Sessions im Management-Track tauchten tief in die Praxis von Unternehmen ein und zeigten, wie unterschiedlich erfolgreiches Content-Marketing aussehen kann. Hier die für mich spannendsten Beispiele:
„Wir produzieren Content, keine Magazine“
Gerrit Klein, Geschäftsführer des Ebner-Verlags zeigte, mit welcher Strategie sein Fach- und Special-Interest-Verlag auf die Herausforderungen der digitalen Transformation reagiert. Der Grundgedanke lautet: „Es geht immer um die Zielgruppe.“ Der Ansatz: „Content ist unser zentrales Asset, die Print-Magazine sind nur ein zufälliger Kanal.“ Daher dreht sich bei Ebner alles um „intelligent content“. Inhalte werden schon vor der eigentlichen redaktionellen Arbeit in Segmente (sogenannte Minimal Information Units oder MIUs) aufgespalten.
Die MIUs werden dann über die verschiedenen Kanäle distribuiert, aber nicht jede MIU ist für jeden Kanal geeignet. Abstracts laufen gut über Facebook, Interviews werden auf dem Blog publiziert, Videoformate bei YouTube, Checklisten können auch zum Download angeboten werden. Der strukturierte Content ist überhaupt erst die Grundlage für die Multi-Channel-Strategie von Ebner, mit der sich alle Touchpoints zu den Kunden effektiv nutzen lassen. Auf diese Weise können die „weißen Flecken“ in der Kernzielgruppe gefüllt werden.
Print ist nur ein zufälliger und historisch bedingter Kanal. Der Ebner-Verlag geht die digitale Transformation aktiv an. Das „Uhren-Magazin“ bedient beispielsweise eine Vielzahl verschiedener Kanäle.
„Keep Calm and Trust in Content“
Eric Kubitz, Geschäftsführer der CONTENTmanufaktur und noch ganz im Modus eines Uni-Dozenten („Ich hätte jetzt gern ein Whiteboard“), erklärte die Vorteile, die das Republishing von Content bietet. Der wichtigste: Es reduziert den Zeitaufwand deutlich. Wenn man nämlich für die Neu-Erstellung eines 1.000-Wörter-Blogbeitrags 10 Stunden benötigt, braucht man für eine Aktualisierung eines bestehenden Textes gerade einmal 1,5 Stunden. Zeitersparnis: 85 Prozent.
Um Republishing erfolgreich zu betreiben, schlug Kubitz folgenden Kreislauf vor:
Bei der Optimierung bzw. Aktualisierung steht immer die „inhaltliche Renovierung“ im Vordergrund. Klar, auch einige grundsätzliche Dinge sollte man im Blick haben. Zum Beispiel, ob das Keyword noch zur URL passt oder technische Anpassungen nötig sind. Was man aber unbedingt tun sollte, ist laut Kubitz Folgendes:
- Text um mindestens einen Absatz verlängern
- Vorspann und Fazit frisch formulieren
- Title und Description aktualisieren
Die Kür ist, den Content mit „Rallye-Streifen“ zu versehen. Also neue Medien einbinden oder die interne Verlinkung anpassen. Das bedeutet: Man verlinkt von diesem Beitrag auf andere Inhalte, die in der Zwischenzeit entstanden sind. Und man verlinkt auch von den neueren Posts auf den aktualisierten Blogartikel. Die Erkenntnis: Wer zwei Stunden pro Woche ältere Beiträge auffrischt, spart sich 12 Stunden Neuerstellung. Mehr Details hat Kubitz für einen der kommenden Blogbeiträge angekündigt – ich warte gespannt.
„Content mit dem X-Faktor“
Für den ankündigten, aber krankheitsbedingt leider unpässlichen Lukas Kircher, Geschäftsführer der Content-Marketing-Agentur C3, sprang kurzfristig Jochen Förster ein. Der C3-Content-Stratege betrachtete eine Seite, die bei Search & Content oft genug nur eine untergeordnete Rolle spielt, nämlich die Verbindung von Kreativität und Performance.
Wie das gehen kann, erklärte Förster am Paradebeispiel schlechthin – dem Magazin „Electronic Beats“, das C3 für die Deutsche Telekom hergestellt. Zum Markenzeichen des Magazins gehören zum einen die Geschichten, die immer wieder neu das Interesse der Leser wecken (können), zum anderen die Tonalität, die in der Medienlandschaft ganz eigen(willig) und unverwechselbar ist, und zum dritten, dass alle Inhalte über die sozialen Medien geteilt werden und dadurch immer schon mit einer Feedback-Schleife versehen sind.
Electronic Beats by Telekom erzählt ungewöhnliche Geschichten und hat auch in den sozialen Medien einen eigenen Ton gefunden.
Försters Ansicht nach befindet sich Content Marketing (so wie C3 es versteht) gerade mitten in der Entwicklung von der „Kampagne“ hin zum „Stream“. Marken müssen demnach viel stärker Teil der Konversation sein und an dieser auch teilhaben. Wie das geht? Mit „ideas that socialize“, so Förster. Sechs Tipps gab er dem Publikum dafür mit:
- Steal: Eine bewährte Idee aufgreifen und modifizieren.
- Surprise: Zwei nicht zusammengehörige Sachen miteinander verbinden und mit einem Wendepunkt in der Geschichte überraschen.
- Be ready to help: Allen Kunden helfen wollen, nicht nur den eigenen.
- Be brave: Etwas Neues und Ungewöhnliches wagen.
- Watch the news: Ein aktuelles Ereignis aufgreifen.
- Create & perform: Einfach machen – und wenn man auf die Nase fällt: aufstehen, Krönchen richten und nachjustieren.
Die Zukunft von Search & Content
Die Abschlussdiskussion wurde moderiert von Mario Fischer, Professor an der Fachhochschule Würzburg und Chefredakteur der Website Boosting. In der Runde ging es noch einmal um die ganz großen Linie: In welche Richtung entwickelt sich Search & Content in den nächsten drei bis fünf Jahren? Eine Stunde lang diskutierte das Podium – neben Fischer noch Norman Nielsen (Zalando), Gerrit Klein, Jochen Förster, Marcus Tober und Franziska Bischoff-Fauldrath – lebhaft über die Frage. Als Ausblick lässt sich festhalten:
- Ob große Brand oder KMU: Entscheidungen werden immer stärker datengetrieben sein – obwohl man erst noch lernen muss, die Daten auch richtig zu interpretieren. Noch weiß man nicht, ob der Nutzer wirklich eine „Bohrmaschine“ sucht oder nicht einfach nur nach einer Möglichkeit, ein Bild aufzuhängen. Vielleicht entsprächen Posterstrips viel besser seinem Bedürfnis …?
- Da das Thema Search immer komplexer wird, wird es „den“ SEO auch nicht mehr geben. Der SEO-Generalist wird sich in eine Vielzahl von Spezialisten aufsplitten: den technischen SEO, den Content-SEO und so weiter.
- Schon jetzt können Brands bei Suchanfragen, für die Google anhand der strukturierten Daten Antworten liefert, kaum noch Geld verdienen. Voice Search wird das Feld „bezahlte Suchanzeigen“ aber grundlegend ändern. Wie Google mit Google Home Geld verdienen will, ist noch offen: Über Provisionen bei Käufen und Buchungen nach Suchanfragen? Über die Verbindung mit Smartphone, Tablet oder Smart-TV? Über Lizenzgebühren für Smart-Home-Hersteller, damit ihre Technik über Google Home gesteuert werden kann?
Es bleibt also spannend, wie sich Search & Content entwickeln werden. Eines ist aber gewiss: Im Grund sind „Search“ und „Content“ wie die beiden Seiten einer Medaille. Das eine geht ohne das andere nicht. Auch wenn nicht alle Fragen geklärt werden konnten, konnte ich doch einige Erkenntnisse und Anregungen aus dem Palais der Kulturbrauerei mitnehmen. Vielen Dank an Searchmetrics für einen rundum gelungenen Summit 2017!