Was ist Content Marketing? So ganz einig waren sich die Experten da nicht. Fest stand jedoch: Das alte Marketing ist tot, ein neues Marketing muss her, und die Branche hat sich auf Veränderungen einzustellen. Dass das keine Angst machen sollte, sondern jede Menge Spaß mit sich bringt, bewiesen die Speaker der Content Marketing Masters 2018 mit geballtem Fachwissen und spannenden Insights aus der alltäglichen Praxis. Thema der Veranstaltung: „Win your Audience!“
Moderiert wurde die Konferenz im Berliner H4 Hotel von den Digital-Experten Carmen Hentschel und Alex Wunschel.
Die Zielgruppe im Fokus
Wie lassen sich Zielgruppen am besten gewinnen? Die Speaker der CMM 2018 gehen da ganz unterschiedlich vor. Dr. Martell Beck von der BVG beispielsweise setzt auf Selbstironie. Seit 2015 machen die Berliner Verkehrsbetriebe sprichwörtlich aus Zitronen Limonade und punkten damit bei den Fahrgästen.
Verkaufstrainer Stephan Heinrich hingegen orientiert sich an der Whiskey-Herstellung. Kontakte, die er nach der Content-Aussaat erntet, werden zunächst ordentlich destilliert. Die Entwicklung vom Interessenten zum Käufer findet anschließend in der Reifephase statt. Rita Orschiedt vom SZ BrandStudio hat sich auf junge Zielgruppen spezialisiert. Sie füttert Millennials mit mundgerechten Content-Häppchen und weiß genau, wie die Generation Y tickt.
Bei Verena Hubertz von Kitchen Stories steht hochwertiger Bild- und Video-Content im Vordergrund – direkt auf Mobilgeräte zugeschnitten. Ihr Erfolgsrezept ist die Kombination aus intelligentem Product Placement und Influencer-Marketing. „Mr. Strategy“ Mirko Lange plädiert für ein kanalübergreifendes Themenmanagement und stellt mit Scompler auch gleich die passende Plattform bereit.
Weniger strategisch geht es bei Martin Drust vom FC St. Pauli vor. Sein Team lässt Raum für Zufälle. Der Fußballverein versteht sich als Wertegemeinschaft und stellt Fans ein „Biotop“ für dezent gesteuerte Community-Projekte zur Verfügung.
Eröffnet wurde die 4. Content Marketing Masters von Ingo Kahnt, Managing Director bei Perfomics. In der Begrüßungsrede betonte er die technischen Entwicklungen der letzten Jahre und den Einfluss datengestützer Methoden auf Content-Marketing-Strategien. Seine Session widmete Kahnt dem Thema Voice. Gesprochene Sprache als natürlichste Form der Kommunikation spielt im Content Marketing bisher eine untergeordnete Rolle. Mit dem rasanten Fortschritt in den Bereichen Sprachanalyse und KI wird sich das allerdings künftig ändern.
2 Tracks, 17 Speaker, 15 spannende Sessions: Auch 2018 überzeugte die CMM mit einem dichten Tagesprogramm voller Expertise, Inspiration und entspanntem Networking.
Für alle, die nicht dabei sein konnten: Die Highlights der CMM 2018 im Überblick.
#weilwirdichlieben: Wie es der BVG gelungen ist, die Herzen der Fahrgäste zu erobern
Speaker: Dr. Martell Beck – Berliner Verkehrsbetriebe (BVG)
Warum braucht ein öffentliches Verkehrsunternehmen wie die BVG eigentlich Marketing? Mit dieser Frage startete Dr. Martell Beck, Bereichsleiter für Marketing und Vertrieb bei der BVG, seinen Vortrag, der sich mit der preisgekrönten Imagekampagne „Weil wir dich lieben“ beschäftigte. Die Antwort lieferte er gleich hinterher: Weil die Kunden eine Wahl haben. Ob Auto oder Fahrrad – wer in Berlin von A nach B kommen möchte, ist gerade als Ortskundiger nicht auf das kommunale Nahverkehrsunternehmen angewiesen. Tatsächlich war die Ausgangslage vor dem Start der Kampagne äußerst ernüchternd. Noch 2014 gaben fast 50 Prozent der befragten Berliner an, die BVG zu hassen.
Da es am eigenen Produkt nur wenig Spielraum für Verbesserungen gab, mussten Beck und sein Team kreativ werden und die Gunst potenzieller Kunden anderweitig gewinnen. Gemeinsam mit einer Kreuzberger Marketing-Agentur wurden die Kampagne und der gleichnamige Slogan „Weil wir dich lieben“ entwickelt und die „Berliner Schnauze“ und das „echte Berlin“ zu elementaren Fixpunkten der öffentlichen Kommunikation gemacht. Nach anfänglichem Shitstorm, der laut Beck aber sofort das große Reichweitenpotenzial zeigte, konnte das Kampagnen-Team mit frechen und oftmals selbstkritischen, aber stets amüsanten Tweets unter dem Hashtag #weilwirdichlieben tatsächlich den gewünschten Sympathiewandel herbeiführen.
Auch auf Highlights wie das Konzert der Band U2 in der gleichnamigen U-Bahnlinie oder den Release des limitierten Adidas-Sneakers mit integrierter Monatskarte kam Beck zu sprechen. Mit letzterem erzielte das BVG-Marketing-Team dank des riesigen medialen Echos weltweit über 10,6 Milliarden Impressions. Nicht nur aufgrund derartiger Erfolgszahlen hat der Vortrag allen Mut gemacht, die bisher aus Angst vor negativen Reaktionen der Zielgruppe vor der stärkeren Einbindung von Social Media und Content Marketing zurückgescheut sind.
Was B2B-Marketing mit gutem Whiskey zu tun hat
Speaker: Stephan Heinrich – Content Marketing Star
„Erst flirten, dann Antrag“ – das Motto von Stephan Heinrich bringt eines ganz klar auf den Punkt: Werbung, die mit der Tür ins Haus fällt, ist längst nicht mehr angesagt und findet in Zeiten von Adblockern und „Banner Blindness“ auch vielfach nicht mehr statt. Wer es versäumt, seine Zielgruppe zu bezirzen, sollte keine Angebote machen – geschweige denn Forderungen stellen.
Der Umgang mit Medien hat sich grundlegend verändert. Wer Neukunden beim Erstkontakt ein „Kauf mich“ ins Gesicht schreit, hat das Wesentliche vergessen: Beziehungsarbeit. Zunächst gilt es, so Heinrich, Beziehungen zu etablieren. Bestehende Beziehungen können im nächsten Schritt mit Forderungen belastet werden – z. B. mit einer Handlungsaufforderung.
Den Weg von der Zielgruppe zur Interessengruppe beschrieb Heinrich bei der CMM 2018 in Analogie zur Whiskey-Herstellung.
- Anbau und Aussaat: Content ausbringen und Beziehung aufbauen
- Ernte: Über den Content in den Dialog gehen und Kontakte gewinnen
- Destillieren: Kaufbereite Interessenten identifizieren
- Reifen lassen: Kontakte pflegen, kennenlernen und Beziehung vertiefen
Ist die Beziehung etabliert, gilt es, den richtigen Moment abzuwarten, um einem Interessenten ein auf ihn zugeschnittenes Angebot zu unterbreiten.
Das Stichwort für zeitgemäßes Content Marketing heißt Reziprozität: Wer (viel) gibt, hat gute Chancen auch etwas zurückzubekommen.
Alles muss sich ändern! Wie man junge Zielgruppen erreicht
Speaker: Rita Orschiedt – SZ BrandStudio
Rita Orschiedt kennt die Bedürfnisse junger Zielgruppen und weiß, warum die Generation Y mit klassischen Marketingmaßnahmen nicht zu beeindrucken ist. Wer mit Digital Natives kommunizieren möchte, muss deren Kanäle benutzen und sich den dortigen Gepflogenheiten anpassen.
Zeitgemäße Markenkommunikation drängt sich nicht auf. Junge Menschen entscheiden selbst, welche Marken sie in ihr Leben lassen. Die Frage für sie ist: „What‘s in it for me?“ Nur wer etwas anzubieten hat, wird mit Aufmerksamkeit belohnt.
Dabei gilt: Weniger ist mehr. Gründe dafür sind eine allgemeine Reizüberflutung und die stetig sinkende Aufmerksamkeitsspanne junger Zielgruppen. Ausdruck findet diese im Akronym TL;DR (Too Long, Didn’t Read) – ein gebräuchlicher Kommentar unter Textinhalten, deren Umfang von jungen Menschen als Zumutung betrachtet wird.
Die Generation Y konsumiert Informationen lieber als kleine Appetithäppchen. Snackable Content nennt man diese Darreichungsform: Die Expertin rät, große Marketing-Kampagnen in kleine Kampagnen-Bausteine zu zerlegen, die sich bei Bedarf schnell nachjustieren lassen. Darüber hinaus gilt es, das Engagement zu fördern. Beispielsweise, indem man Marken in Geschichten übersetzt, die junge Menschen berühren. Im besten Fall erzählt die Community die Geschichte weiter: Die Marke wird zur Plattform für User-generierte Inhalte, und Massenkommunikation wird abgelöst von Customized Communication.
Die Evolution von videobasiertem Content Marketing anhand der „Kitchen Stories“-Journey
Speaker: Verena Hubertz – Kitchen Stories
Wenn Apple-Chef Tim Cook ein junges Start-up besucht und dort gekonnt Pfannkuchen durch die Luft wirbelt, haben die Gründer ohne Zweifel alles richtig gemacht. Dass der Weg dorthin insbesondere für junge Unternehmer kein Zuckerschlecken ist, zeigte Verena Hubertz in ihrer CMM Session auf. Gemeinsam mit ihrer Studienkollegin Mengting Gao hat sie 2014 die Koch-App „Kitchen Stories“ veröffentlicht, die mittlerweile mehr als 15 Millionen Mal heruntergeladen wurde. Die Investorensuche erwies sich für die beiden Gründerinnen zu Beginn als aussichtslos. Das Startkapital in Höhe von 25.000 Euro für App-Entwicklung und Content-Kreation stammte aus eigener Tasche und aus Anleihen von Familie, Freunden und Bekannten.
Dass Kitchen Stories dennoch auf eine unvergleichliche Erfolgsstory zurückblicken kann, liegt laut Hubertz nicht nur an dem bewusst neutral gehaltenen Design und dem von Beginn an verfolgten Mobile-First-Ansatz. Ein weiterer entscheidender Grund für den Erfolg sei der hochwertige Bild- und Video-Content, der von Beginn an ganz gezielt als Marketinginstrument verwendet wurde. Um die eigene Marke zu stärken und den Koch- und Backbegeisterten über das Rezeptsortiment hinaus Mehrwert zu bieten, haben Hubertz und Gao das Product Placement nach und nach um Branded Content erweitert. So wurde beispielsweise in Kooperation mit Nespresso erzählt, wie sich eigentlich ein perfekter Latte Macchiato zubereiten lässt.
Rückmeldungen von der Community gibt es in Form von Likes, geteilten Bilden der Resultate oder der Verweildauer auf einer Rezeptseite. Hubertz und ihr Team haben aus diesen Daten ihren eigenen KPI, den sogenannten Nachkochindex entwickelt, der als Kennzahl für neuen Kitchen-Stories-Content eine wichtige Rolle spielt und auch Partnern wertvolle Insights liefern kann. Kitchen Stories will auch künftig videobasierte Inhalte liefern, die perfekt auf die Bedürfnisse der Kundschaft zugeschnitten sind.
Ein anderer Fußball ist möglich
Speaker: Martin Drust – FC St. Pauli
Der FC St. Pauli nimmt in Zeiten der zunehmenden Kommerzialisierung des Fußballs eine gesonderte Rolle ein. Der im gleichnamigen Hamburger Stadtteil ansässige Verein zeigt, dass man nicht alles mitmachen muss, um im schnelllebigen Profisportgeschäft mithalten zu können. Wie der Club sich in dieser Hinsicht von anderen abhebt und welchen Einfluss das „Anderssein“ auf das Marketing hat, verriet Martin Drust, Marketingleiter des FC St. Pauli, in seiner Session „Ein anderer Fußball ist möglich“. Dabei beschrieb er den Unterschied gegenüber anderen Fußballclubs darin, dass man sich selbst in erster Linie nicht als Verein, sondern als Wertegemeinschaft verstehe, die Kernwerte wie Empathie, Toleranz und Solidarität lebt.
Für das Marketing bedeutet ein derartiges Konzept zweifelsohne eine Reihe von Einschränkungen, und gerade der Spagat zwischen Kommerz und Subkultur stellt eine große Herausforderung dar. Drust zeigte anhand verschiedener Beispiele auf, wie die Vermarktung trotz (und in einigen Fällen sogar wegen) der klaren Positionierung gegenüber Rassismus, Sexismus oder extremer Kommerzialisierung in der Vergangenheit funktioniert hat. So ist beispielsweise der berühmte Totenkopf als Markenzeichen der Fankultur auch außerhalb Deutschlands bekannt (insbesondere in den USA) und St. Pauli selbst seit 1999 als erster deutscher Fußballverein als Marke eingetragen. Auch die Merchandising-Artikel erfreuen sich weltweiter Beliebtheit: Unter anderem traten Ed Sheeran und die US-Band Blink 182 als freiwillige Markenbotschafter in Erscheinung.
Soziale Projekte wie eine Musikschule oder eine Kindertagesstätte im Stadion oder die Umweltprojekte „Kiezstrom“ und „Weltverbesserer“ tragen ebenfalls dazu bei, dass St. Pauli die Sympathien der Menschen quasi zufliegen – und dass, obwohl diese häufig nicht einmal Fußballfans sind. Zusammenfassend lässt sich sagen: St. Pauli erzeugt ein mediales Echo, von dem andere Fußballvereine nur träumen, wobei insbesondere auch im Marketing die Werte Authentizität und soziale Verantwortung eine entscheidende Rolle spielen.
Keynote – Content Marketing und Change: Wege aus der Angst im Unternehmen
Speaker: Dr. Kerstin Hoffmann – PR-Doktor
Bevor die Teilnehmer nach einem informationsreichen Tag zum abschließenden Get-together und Networking eingeladen wurden, fasste Dr. Kerstin Hoffmann in ihrer Keynote die typischen Probleme bei der Etablierung von Content-Marketing-Projekten im eigenen Unternehmen zusammen. So ist für die Autorin des „PR-Doktor“-Blogs die Angst vor Veränderungen die Hauptursache, wenn sich Verantwortliche neuen Trends und Content Marketing im Speziellen verwehren. Als mögliche Ursachen für diese Ängste führte sie unter anderem Unbequemlichkeiten, Kontrollverlust, fehlendes Wissen oder die Erwartung zu hoher Kosten auf. Auch die Angst vor einem Shitstorm ist aus Hoffmanns Erfahrung häufig der Grund für das Abblocken von Change.
Natürlich bekamen die Teilnehmer auch eine Handvoll Tipps mit auf den Weg. So kommt es beispielsweise vor allem auf Fingerspitzengefühl an, wenn man die Verantwortlichen von einem notwendigen Wandel im Marketing überzeugen will. Man sollte in der Lage sein, ihre wahren Bedürfnisse und Emotionen wahrzunehmen, denn auf einer gemeinsamen Vertrauensbasis fällt es leichter, die Chancen von Content Marketing hervorzuheben. Dabei hilft es vor allem, Annahmen durch Fakten zu ersetzen und die wahren Gefahren (beispielsweise bei einem Verzicht auf Content Marketing) aufzuzeigen.
Fazit
In 15 spannenden Sessions lieferte die 4. Content Marketing Masters inspirierende Beispiele aus der Praxis. Strategien kamen ebenso zur Sprache wie wertvolle Tipps zu deren Umsetzung und Etablierung im Unternehmen – und hilfreiche Warnungen vor No-Gos im Content Marketing. Nicht nur in den gut gefüllten Veranstaltungssälen, sondern auch in den Pausen zwischen den Sessions fand ein reger Austausch statt: Sie boten Raum zum Essen und Trinken sowie für erste Gespräche, die beim Get-together am späteren Abend vertieft werden sollten. Und so zeigte auch das rege Networking: Die Content Marketing Masters war auch 2018 wieder ein voller Erfolg.